Die Liebscher und Bracht Therapie – Eine Kritik

In diesem Artikel untersuche ich die Therapie nach Liebscher und Bracht (LuB) aus einem kritischen Blickwinkel. Dabei werden seitens LuB diverse Behauptungen ausgesprochen, die ich hier Schritt für Schritt besprechen werde. Ich beziehe mich dabei hauptsächlich auf das Buch von LuB “SchmerzFrei Das SchmerzCode – SelbsthilfeProgramm Band 1: Unterer Rücken“. Die Zitate stammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus diesem Buch und werden kursiv wiedergegeben.

Vorsischt es kommt eine Kritik der Liebscher und Bracht Therapie

Quelle: https://gordonseipold.com/wp-content/uploads/2013/02/vorsicht_kritik-marion_maier-20130219.jpg

 

 

 

 

 

 

Inhalt

Wirksamkeit der Therapie von Liebscher und Bracht

  “…: Nahezu jeden Schmerzzustand reduzieren wir innerhalb einer halben Stunde um 70 bis 100 Prozent. Das gelingt uns bei über 90 Prozent der Schmerzpatienten.” S.6

“Die von uns in jeder Ausbildung begleitend geführte Schmerzstatistik belegt inzwischen folgende Realität: Bei 97 Prozent der insgesamt beobachteten Schmerzzustände reduzieren sich die Beschwerden auf 0 (schmerzfrei) bis 30 Prozent. 67 Prozent der Betroffenen waren sogar völlig schmerzfrei.” S.6

“Auch auf der wissenschaftlichen Forschungsebene beweisen inzwischen die Ergebnisse einer ersten Studie, dass unsere Therapie bei allen Probanden unter streng objektivierten Bedingungen eine durchschnittliche Schmerzreduzierung um 62 Prozent erreicht. Diese Wirksamkeit untermauert unsere statistisch erfassten Ergebnisse.”S.7

Bei derart hohen Erfolgszahlen frage ich mich, ob meine Ausbildung, Studien und praktische Erfahrung komplett nutzlos sind, da ich nie annähernd so gute Erfolgserlebnisse mit meinen Patienten habe bzw. hatte. Natürlich kann es auch sein, dass diese genannten Zahlen utopisch sind und nur Marketingzwecken dienen.

Interessanterweise wird hier eine Studie erwähnt, die zwar nur 62 Prozent Schmerzreduzierung zeigt, jedoch die Glaubhaftigkeit der Wirksamkeit der Therapie unterstreichen soll. Jedoch wird die gemachte Studie nicht zitiert. Sucht man im Internet, so findet man eine Seite auf der LuB Homepage mit “Studien”. Dort findet man auch die Studie, die eine Wirksamkeit der Therapie zeigen soll, jedoch ist diese Studie methodologisch 1 unzureichend, um überhaupt eine Aussage über die (klinische) Wirksamkeit machen zu können. Die weiteren “Studien” sind eine Beschreibung der Therapie sowie eine statistische Auswertung der Ergebnisse der Seminarteilnehmer, welche ebenfalls die Wirksamkeit der Therapie nicht beweisen kann.

Was übrig bleibt, sind extrem hoch gegriffene Behauptungen einer Wirksamkeit, die in keinster Weise bewiesen ist. Vielmehr werden hier Patienten in die Irre geführt und mit falschen Versprechung Hoffnung geschaffen. Des Weiteren sind die Erfolgsversprechen einer Schmerzreduktion innerhalb einer einzigen Behandlung widersinnig und entsprechen keinem wirklichen Krankheitsverlauf.

Als Beispiel dafür möchte ich eine Studie zum Thema Tennisarm analysieren. 2 Es ergaben sich folgende Ergebnisse für die Schmerzentwicklung:

Woche/BehandlungAbwarten (Kontrollgruppe)KortisoninjektionPhysio-
therapie
Ausgangwert61.353.557.5
3. Woche61.318.946.8
6. Woche5116.433.8
52. Woche13.920.86.6

Die benutzte Skala geht von 0 (kein Schmerz) bis 100 (höchster Schmerz). Betrachtet man die Tabelle so zeigt sich, dass bei einer physiotherapeutischen Behandlung des Tennisarms (Mobilisation, Kräftigung, Hinweise zum Tennisarm) die Schmerzen nach drei Wochen nur um 10,7 Punkte (18,60%) verändern. Bei einer Behandlung mit Kortison verändert sich der Schmerz um 34,6 Punkte (64,67 %). Das heißt, dass selbst nach drei Wochen nach einer Kortisoninjektion das Ergebnis weniger effektiv ist als die Behandlung von Liebscher und Bracht nach einer Sitzung. Ganz zu schweigen von einer State of the Art physiotherapeutischen Behandlung, die nur magere 18,6 % Verbesserung in drei Wochen bringt. Nicht mal nach einem Jahr schafft die physiotherapeutische Behandlung (50,9 Punkte; 88,52%) die Ergebnisse von Liebscher und Bracht in einer Sitzung zu erreichen.

Diese Studie zeigt den tatsächlichen Krankheitsverlauf des Tennisarms und die damit verbundene Dauer einer “Heilung” bei den meisten Patienten. Die gleiche Analysen kann man auch für andere Krankheitsbilder machen, die ähnliche Ergebnisse zeigen werden. Das zeigt, dass es nicht sein kann, dass eine Therapie derartig schnelle Ergebnisse erzielen kann. Zumindest ist dies nicht bei echten Krankheiten möglich.

Liebscher und Bracht haben keine Studien über die Effektivität Ihrer Behandlung durchgeführt. Alles, was existiert, sind Behauptungen, die einer Plausibilitätsüberprüfung nicht standhalten.

 

Schmerzmodell von Liebscher und Bracht am Beispiel des unteren Rückens

“…Wenn unserer Körper sich so, wie er genetisch festgelegt ist, bei Nutzung aller “eingebauten” Bewegungswinkel, zu 100 Prozent bewegen kann, zu wie viel Prozent nutzen Menschen heute durchschnittlich diese Möglichkeiten? Die Antwort schwanken zwischen 10 und 40 Prozent. Wir selbst halten 15 bis 20 Prozent realistisch.” S. 22

“Wir bewegen uns völlig anders als für unsere “Konstruktion” vorgesehen. Bestimmte Bewegungen finden viel zu wenig oder zu einseitig statt.” S. 23

“…Die Menschen trainieren sie sich selbst an, ohne es zu wissen, weil sie so leben wie das heute üblich ist.” S. 23

Damit der Rücken nicht nach vorne fällt, gibt es die Rückenmuskeln. Sie ziehen den Rumpf nach hinten, in die “Rückbeugung”, indem sie ein Drehmoment nach hinten auslösen.” S. 24

Nun gibt es Muskeln an der Vorderseite unseres Körpers, die eine große Rolle bei unserer Untersuchung über die Schmerzen im Bereich des unteren Rückens spielen” S. 24

Sehen Sie was beim Sitzen mit diesen Muskelzügen [Bauchmuskeln und Hüftbeuger] passiert? Sie sind viel kürzer als beim Stehen; in schlechter Rumpfhaltung sogar noch ein Stück mehr.” S. 24

Sitzen die Menschen so häufig, wie das heute üblich ist, passieren mehrere Dinge: Zum einen verschlechtert sich durch zu wenig Bewegungsaktivität die Versorgung der beteiligten Strukturen mit Nährstoffen, was sie schwach und anfällig für Verletzung macht. Zum anderen verkürzen die Strukturen an der Vorderseite des Körpers“. S.25

So muss die Rückenmuskulatur gegenziehen, damit der Mensch gerade und aufrecht bleibt.” S. 25

Dadurch steigt natürlich die Grundbelastung der beteiligten Bandscheiben noch mehr.” S. 25

Durch diese Entwicklung werden die Rückenmuskeln automatisch immer stärker trainiert,… .”S. 25

Aufgrund dieses Zusammenhangs, wird oft zum Krafttraining geraten. Wie wir nachher aber sehen werden, führt das nur zur vorübergehender Besserung und schließlich landet man vollends in der Sackgasse. Mit den Jahren verkürzen sämtliche beteiligten Strukturen an der Vorderseite immer mehr.” S. 26

Der Alarmschmerz im Bereich des unteren Rückens kommt dadurch zustande, dass beim Aufrichten die Belastung auf die Bandscheibe so stark ansteigt, dass deren Schädigung droht.” S. 26

Der Schädigungsschmerz also der Schmerz der geschädigten Struktur (Knorpel, Bandscheibe, Meniskus usw.) als dritte Stufe des Schmerzgeschehens, kommt in der Realität so gut wie nie vor. … Warum wir das mit Sicherheit behaupten können? Erinnern Sie sich an unsere Statistik… .” S. 26

Zusammenfassen lässt sich das “Schmerzmodell”  von Liebscher und Bracht relativ einfach:

  • einseitige Bewegung und Bewegungsmangel (Sitzen) führt zu,
  • Verkürzungen der Vorderseite des Körpers (Beugemuskulatur, vor allem der Hüftbeuger),
  • dadurch entsteht ein Ungleichgewicht zwischen Beugern und Streckern (die den Rumpf vor dem nach vorne kippen bewahren);
  • die Strecker müssen nun noch mehr arbeiten und verspannen sich;
  • durch das Kräfteungleichgewicht zwischen Beugern und Streckern wird die Bandscheibe übermäßig belastet und droht geschädigt zu werden;
  • der Körper schreitet ein und verhindert durch den Alarmschmerz eine Schädigung der Bandscheibe.

Wie auch bei vielen anderen alternativen Therapien gibt es hier ein oberflächlich plausibles und einfaches Modell, um Schmerzen zu erklären. Das kommt beim Kunden/Patient gut an und weckt Hoffnung, dass endlich jemand weiß wovon er spricht. Leider ist das Schmerzgeschehen von Rückenschmerzen, wie auch von allen anderen Erkrankungen nicht so einfach zu erklären und zu behandeln. Das verkauft sich nur leider nicht so gut, wie einer “klare” Lösung des Problems der Rückenschmerzen. Was enttäuschend an den gesamten “Modell” ist, dass hier Annahmen aufgestellt werden, ohne jeglichen Beleg dafür, dass diese Annahmen therapeutisch nutzbar sind. Vielmehr ist das hier aufgestellte Modell unzeitgemäß und stark reduktionistisch. Fast alle Annahmen sind falsch bzw. halten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand.

Kommen wir also zur Analyse der einzelnen Punkte:

  1. Das Bewegungsmangel zu Krankheiten führt und das Bewegung vor vielen Krankheiten schützt ist unbestritten. 3 Jedoch das man sich über alle Bewegungswinkel bewegen muss, um Schmerzen zu vermeiden ist falsch. Man muss kein Beweglichkeitstraining zu machen, um die Alltagsbeweglichkeit zu erhalten (siehe dazu meinen Artikel zum Thema Stretching). Das man über die Alltagsbeweglichkeit hinaus Beweglichkeit braucht, um keine Schmerzen zu bekommen, ist unbewiesen.
  2. Die Strukturen der Vorderseite sollen vor allem durch das Sitzen verkürzen. Jedoch hebt sich bei jedem Aufstehen diese Verkürzung wieder auf. Auch Gehen hebt die Beugung der Hüfte immer wieder durch Streckung der Hüfte auf. Des Weiteren gibt es keine Studie die, zeigt, dass Sitzen die Hüftstrecker verkürzt.
  3. Eine Verkürzung der Hüftbeuger und Bauchmuskulatur steht in keinem Zusammenhang mit Rückenschmerzen. 4
  4. Sitzen ist kein Risikofaktor für die Entstehung von Rückenschmerzen. 5
  5. Dass die Rückenstrecker immer stärker werden durch die Haltearbeit, die sie leisten müssen, ist nicht richtig. Allgemein nimmt die Muskulatur mit zunehmenden Alter ab. 6 Darüber hinaus haben Patienten mit Rückenschmerzen einen deutlichen Abbau von Kraft und Masse der Rückenstrecker. 7
  6. Krafttraining für die Rückenstrecker ist ein gutes Mittel zur Rehabilitation von Rückenschmerzen. 8
  7. Krafttraining führt nicht zu einer Verminderung von Beweglichkeitsondern kann die Beweglichkeit sogar noch steigern.
  8. Es ist richtig, dass bei vielen Patienten mit Rückenschmerzen die mit bildgebenden Verfahren gefundenen “Pathologien” (Bandscheibenvorwölbungen, Verschleiß) Zufallsbefunde sind. Sie gleichen den Befunden die Rücken-Gesunde im gleichen Alter auch haben. 9 Das heißt jedoch nicht zwangsläufig, dass verletzte Strukturen des Rückens nie eine Rolle bei dem Auftreten von Beschwerden spielen können. Man denke z.B. an motorische Ausfälle der unteren Extremität (z.B. der Fallfuß), die durch einen Bandscheibenvorfall ausgelöst wurden!

Zusammenfassend lautet das Fazit: das Schmerzmodell von Liebscher und Bracht ist falsch!

 

Weitere Behauptungen von Liebscher und Bracht

 

“…Diese Fehlspannungen verursachen die strukturellen Schäden oder Veränderungen. Es handelt sich um Alarmschmerzen, die vor der Schädigung aber auch noch paralell dazu auftreten, um Verschlimmerungen zu verhindern. Löscht man die “kranken” Muskelprogramme, verschwinden diese Alarmschmerzen, da sie überflüssig werden.” S. 37

Es ist zwar unbestritten, dass Rückenschmerzen zu verkrampften Muskeln führen und eine Lockerung zu einer Besserung führt, jedoch ist dies nicht die (alleinige) Ursache von Rückenschmerzen. Rückenschmerzen sind wahrscheinlich durch verschiedene Faktoren verursacht und nicht einer einzigen Ursache zuzurechnen. Andere Aussagen sind zu vereinfachend und berücksichtigen nicht die aktuelle Forschung. Einfache Aussagen sind jedoch besser zu verkaufen, als zu zugeben, dass man nicht genau weiß, woher Rückenschmerzen kommen!

 

“Fibromyalgie … Diese Schmerzzustände sind aber nach unserer Kenntnis und Erfahrung nichts anderes als eine Anhäufung einzelner Schmerzen, die über muskuläre Maßnahmnen sehr wirksam zu beeinflussen sind.”  S. 40

Die Ursache von Fibromyalgie ist ungeklärt. Hier eine kurze Übersicht der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V zur Erkrankung der Fibromyalgie. Spannungsregulierende Maßnahmen, wie z.B. Massage werden dabei von der AWMF nicht empfohlen, da es keine eindeutigen, gut gemachten Studien gibt, die eine klinische Effektivät belegen. Die Methode nach Liebscher und Bracht als Heilmethode zu verkaufen, ist unplausibel. Es gibt keine nachgewiesene Wirksamkeit der Methode von LuB bei Fibromyalgie.

 

“Chronische Schmerzen, im Sinne von Schmerzen, die keine Funktion haben, existieren nicht.” S. 41

Diese Aussage ist an den Haaren herbeigezogen und widerspricht Jahrzehnten der stattgefunden Schmerzforschung. Den beiden Autoren empfehle ich als Einstieg die Arbeit von Woolf 10, in dem der Prozess der Zentralen Sensibilisierung erklärt wird oder einen entsprechenden Online-Artikel zum Thema Schmerzgedächtnis. Schmerzen die keine Funktion haben existieren bei chronifizierten Schmerzen. Beispiele dafür hat jeder erfahrene Physiotherapeut oder Mediziner in seiner Praxis gesehen. Hier sind die Heilungszeiten der betroffenen Struktur (z.B. Lendenwirbelsäule, Knie, Halswirbelsäule) schon jahrelang überschritten und trotzdem haben die Patienten Schmerzen. Diese Patienten mit einfachen Versprechungen zu ködern, ist unethisch und verantwortungslos.

 

Die therapeutische Praxis nach Liebscher und Bracht

In einem Video auf der Internetseite von LuB wird der therapeutische Ablauf einer LuB Behandlung aus drei Schritten bestehend dargestellt: 1. Anamnese (Befragung des Patienten), 2. Schmerzpunktpressur und 3. Schmerzfreiübungen. Im oben genannten Buch sind jedoch nur Schmerzfreiübungen enthalten. Die Schmerzpunktpressur und ihre Punkte werden nicht vermittelt und müssen in (teuren) Seminaren erlernt werden. Im Folgenden bespreche die einzelnen Schritte der LuB Therapie.

 

Schmerzpunktpressur

Die Schmerzpunktpressur kann nur schwer bewertet werden, wenn Ihre Anwendung nur in Seminaren gelehrt wird. Dass diese sich jedoch von anderen Therapien, wie z.B. der manuellen Triggerpunkttherapie oder der Fascial Manipulation Therapie nach Stecco großartig unterscheidet, ist fraglich. Sowohl die Triggerpunkttherapie als auch die Fascial Manipulation Therapie geben diverse Punkte im Körper an, die in Verbindung mit bestimmten Beschwerden stehen. Jedoch sind im Gegensatz zu der Schmerzpunktpressur von LuB die beiden anderen Therapien für alle zugänglich beschrieben (zumindest wenn man ein Buch kauft). Bei LuB muss erst eine nicht unwesentliche Seminargebühr gezahlt werden. Dadurch entsteht eine Immunisierung gegenüber einer möglichen Überprüfung der gemachten Aussagen.

Die Wirksamkeit von Weichteiltherapien (Massage, Triggerpunkt, Fascial Manipulation, Myofascial Release, etc.) bei Problemen des Bewegungsapparats ist bis Heute unzureichend untersucht. Eindeutig konnte noch nicht gezeigt werden, dass diese Therapien einen Nutzen über den Placeboeffekt hinaus haben. 11 Das heißt natürlich nicht, dass diese Therapien unbedingt nutzlos sind, sondern dass die Forschung noch nicht soweit ist, um eine definitive Aussage zu machen. In meiner subjektiven Erfahrung als Therapeut sind solche Therapien durchaus bei einigen Patienten das Mittel der Wahl. Jedoch sollte man sich keine Wunder von dieser Therapie erhoffen. Die tatsächlichen Effekte einer solchen Therapie sind wohl eher gering.  Ich denke, dass die LuB Therapie durchaus bei einigen Patienten hilfreich sein kann, jedoch sind die angepriesenen Effekte den die Therapie haben soll überzogen und unrealistisch. Es wird Patienten Hoffnung gemacht, die wahrscheinlich nur Ihr Geld verlieren, aber keine Besserung erhalten. Gerade bei chronischen Schmerzpatienten, an Fibromyalgie Leidenden und auch bei Arthrosepatienten, usw.… halte ich solche überzogenen Anpreisungen der LuB Therapie für nicht dienlich .

 

Schmerzfreiübungen

Die Schmerzfreiübungen bestehen aus: der Schmerzfrei Packung, Schmerzfrei Ballmassage und den Schmerzfreiübungen.

Die Schmerzfrei Packung sind heiße Tücher, die auf verschiedene Teile des Körpers (Bauch, Hüfte und Rücken) aufgelegt werden. Damit gehört die Schmerzfrei Packung zu den Anwendungen der Wärmetherapie (Thermotherapie). Die Auswirkungen der Anwendung von Wärme ist kaum untersucht. Eine Studie 12 konnte ich ausfindig machen, die die Anwendung von Kälte oder Wärme bei Rückenschmerzen oder Nackenschmerzen untersucht hat. Die Ergebnisse sind, dass es bei Kälte als auch bei Wärme zu geringen Verbesserungen der Schmerzintensität bei akuten Schmerzen kam. Dieser Teil der LuB Therapie ist sicherlich nicht extrem effektiv, jedoch durchaus für eine geringe Reduktion von Schmerzen geeignet.

Die Schmerzfrei Ballmassage ist eine Selbstmassage mit Bällen. Dabei werden verschiedene Körperzonen (Gesäß, Oberschenkel, Bauch, Rücken) mit Hilfe des Balls massiert. Die Effekte einer Selbstmassage habe ich in meinem Artikel zum Thema Faszienrolle ausführlich erläutert. Die Wirkung der Selbstmassage auf Verspannung und Schmerz sind zwar nicht eindeutig bewiesen, aber anzunehmen. Eine Anwendung von Massagebällen, Faszienrollen, etc. kann als Untersützung der Therapie eingesetzt werden.

Die Schmerzfreiübungen sind nach Schwierigkeitsgrad sortierte Dehnungsübungen für die Körperzonen. Dabei wird wieder daraufhingewiesen, dass es noch “Spezial”-Varianten der Dehnungsübungen gibt, die sogenannten Engpassdehnungen. Diese können jedoch nur in Seminaren oder bei einem LuB Therapeut erlernt werden. Das ist natürlich wieder eine Möglichkeit zusätzlich Geld zu verdienen.

Stretchingübungen sind ein mögliches Mittel zur Behandlung chronischer Schmerzen (siehe meinen Artikel über Stretching). Jedoch ist Dehnen nicht die einzige Therapie, die bei Schmerzen hilft. Eine Übersichtsarbeit von van Middelkoop et al. 13 fand heraus, dass jegliche Form von aktiver Sporttherapie zu einer Verbesserung von Schmerzen und Funktion bei chronischen Rückenschmerzen führt. Keine Therapie war effektiver als eine andere. Stretchingübungen, wie sie von LuB gezeigt werden, können durchaus zur Therapie eingesetzt werden, jedoch können abhängig von der Situation des Patienten andere Therapien (auch das verhasste Krafttraining) ausgeübt werden. Von einer Überlegenheit der Stretchingübungen in der Behandlung von Schmerzen, wie LuB es behaupten, kann keine Rede sein.

 

Zusammenfassung

Der Ansatz passive Therapie (Schmerzpunktpressur) und aktive Therapie (Schmerzfrei Übungen) zu kombinieren, ist sinnvoll. Jedoch ist es das, was jeder (gute) Physiotherapeut gelernt hat und auch anwendet. Des Weiteren wird in dem Buch von LuB explizit und implizit vermittelt, dass vor allem die Anwendung der speziellen Schmerzpunkt-Therapie bzw. das Erlernen der Engpassdehnungen zu Erfolg führt. Das ist lediglich eine Marketingstrategie, um Kunden teuere Seminare oder Therapieeinheiten zu verkaufen.

 

Fazit

Die Liebscher und Bracht Therapie ist in ihrer Theorie nicht haltbar. Die praktische Anwendung der einzelnen Therapiebausteine kann zu Verbesserungen von Schmerz und Funktion führen, jedoch in den allermeisten Fällen nicht in dem Rahmen, wie es beschrieben wird. Garantierte Verbesserungen  in Höhe von 90 Prozent innerhalb einer Sitzung sind unrealistisch und irreführend. Die  Texte von Liebscher und Bracht sind ein Verkaufstext und keine ernst zunehmenden therapeutischen Werke.

 

Updates

(5. Januar 2017) – Korrektur einiger Stellen für eine bessere Lesbarkeit

(22. Januar 2017) – Korrektur einiger Rechtschreibfehler.

 

 

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Notes:

  1. Es mangelt u.a. an: Verblindung, Kontrollgruppe(n) und Randomiserung
  2. Bisset, Leanne, et al. “Mobilisation with movement and exercise, corticosteroid injection, or wait and see for tennis elbow: randomised trial.” Bmj 333.7575 (2006): 939.
  3. http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs385/en/
  4. Hellsing, Anna-Lisa. “Tightness of Hamstring-and Psoas Major Muscles: A prospective study of back pain in young men during their military service.” Upsala journal of medical sciences 93.3 (1988): 267-276, Nourbakhsh, Mohammad Reza, and Amir Massoud Arab. “Relationship between mechanical factors and incidence of low back pain.” Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy 32.9 (2002): 447-460.
  5. Roffey, Darren M., et al. “Causal assessment of occupational sitting and low back pain: results of a systematic review.” The Spine Journal 10.3 (2010): 252-261.
  6. Ali, Sumbul, and Jose M. Garcia. “Sarcopenia, cachexia and aging: diagnosis, mechanisms and therapeutic options-a mini-review.” Gerontology 60.4 (2014): 294-305.
  7. Steele, James, Stewart Bruce-Low, and Dave Smith. “A reappraisal of the deconditioning hypothesis in low back pain: review of evidence from a triumvirate of research methods on specific lumbar extensor deconditioning.” Current medical research and opinion 30.5 (2014): 865-911.
  8. Mayer, John, Vert Mooney, and Simon Dagenais. “Evidence-informed management of chronic low back pain with lumbar extensor strengthening exercises.” The Spine Journal 8.1 (2008): 96-113.
  9. Savage, R. A., G. H. Whitehouse, and N. Roberts. “The relationship between the magnetic resonance imaging appearance of the lumbar spine and low back pain, age and occupation in males.” European Spine Journal 6.2 (1997): 106-114, Jarvik, Jeffrey J., et al. “The longitudinal assessment of imaging and disability of the back (LAIDBack) study: baseline data.” Spine 26.10 (2001): 1158-1166.
  10. Woolf, Clifford J. “Central sensitization: implications for the diagnosis and treatment of pain.” Pain 152.3 (2011): S2-S15.
  11. Siehe dazu beispielsweise:Rickards, Luke D. “The effectiveness of non-invasive treatments for active myofascial trigger point pain: a systematic review of the literature.” International journal of osteopathic medicine 9.4 (2006): 120-136, Ajimsha, M. S., Noora R. Al-Mudahka, and J. A. Al-Madzhar. “Effectiveness of myofascial release: Systematic review of randomized controlled trials.” Journal of bodywork and movement therapies 19.1 (2015): 102-112, Remvig, Lars, Richard M. Ellis, and Jacob Patijn. “Myofascial release: an evidence-based treatment approach?.” International Musculoskeletal Medicine 30.1 (2008): 29-35.
  12. Garra, Gregory, et al. “Heat or cold packs for neck and back strain: a randomized controlled trial of efficacy.” Academic Emergency Medicine 17.5 (2010): 484-489.
  13. van Middelkoop, Marienke, et al. “Exercise therapy for chronic nonspecific low-back pain.” Best practice & research Clinical rheumatology 24.2 (2010): 193-204.
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