Laufverletzungen vorbeugen

Laufverletzungen sind leider keine Seltenheit. Die Wahrscheinlichkeit sich beim Laufen eine Verletzung zu zuziehen  liegt zwischen 18,2 Prozent und 92 Prozent. 1 Die häufigsten Verletzungen sind:

Um Verletzungen beim Laufen präventiv behandeln zu können, muss man zunächst wissen, welche Risikofaktoren die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung erhöhen. Darauf aufbauend kann man gegebenenfalls Maßnahmen entwickeln, die zu einer Vermeidung der Verletzung führen kann.

Inhalt

Risikofaktoren für die Entstehung von Laufverletzungen

In den meisten Studien zum Laufen werden Risikofaktoren für die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer Laufverletzung in persönliche Faktoren, Lauf/Training bezogene Faktoren und Gesundheit/Lifestyle Faktoren eingeteilt. Mögliche Risikofaktoren, die in diversen Studien 3 untersucht wurden, sind folgende:

Persönliche FaktorenLaufen/TrainingGesundheit/Lifestyle
GeschlechtLauferfahrungalte Verletzungen
BMITrainingssteuerung (Umfang, Intensität, etc.)Einlagen
AlterDistanz (Länge der Läufe in Metern)
GewichtTeilnahme an Rennen
GrößeBodenbelag
Stellung des Os Naviculare (Maß für die Pronation des Fußes)Schuhwerk
Blutfluss zur Achillessehne (Indikator für Achillessehnenerkrankung)
Kraftverteilung beim Landen des Fußes beim Laufen
Körperhaltung/-ausrichtung

Jedoch handelt es sich hier nur, um mögliche Risikofaktoren. Durch Übersichtsarbeiten 4 bestätigte Risikofaktoren die, die Wahrscheinlichkeit erhöhen sich beim Laufen zu verletzen sind folgende:

 

  • alte Verletzung-(en) (starke Evidenz),
  • zu hohe Distanz und Frequenz beim Laufen (schwache Evidenz),
  • wenig Lauferfahrung (Anfänger) (schwache Evidenz) und
  • das Benutzen von Einlagen (schwache Evidenz).

 

Alte Verletzungen sind auch in anderen Sportarten ein bestätigter Riskofaktor. 5 Leider weiß man noch nicht genau, ob eine erneute Verletzung durch mangelndes Auskurieren der vorhergehenden Verletzung entsteht. Dies liegt unter anderem an den nicht einheitlichen Definition einer Verletzung in den gemachten Studien. Jedoch sollte meines Erachtens ein Auskurieren einer Verletzung ernst genommen werden. Das heißt es sollten die gleichen oder annähernd gleichen funktionellen Parameter (Bewegungsausmaß des Gelenks, Kraft, Tiefenwahrnehmung, etc.) wiederhergestellt werden. Da Laufverletzungen häufig durch eine Überbelastung des Muskel-Skelett-Systems entstehen, wird dieser Prozess durch die gestörte Funktion des Gelenks beschleunigt. D.h. ich laufe schlechter bzw. anders durch meine nicht auskurierte Verletzung. Dadurch kommt es zu einer weiteren Fehl- bzw. Überbelastung des Gelenks und im schlimmsten Fall zu einer Wieder-Verletzung. 6

 

Beispiel einer der vielen Laufverletzungen am Knie

Laufverletzungen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine zu hohe Distanz und Frequenz beim Laufen wird in zwei Studien als Risikofaktor für eine Verletzung durch das Laufen angenommen. Distanz bedeutet dabei in diesem Zusammenhang die zurückgelegen Laufkilometer pro Woche. Frequenz ist die Häufigkeit der ausgeführten Laufeinheiten pro Woche. In der Übersichtsarbeit von Saragiotto et al. 7 wird festgehalten, dass eine Distanz von mehr als 64 Kilometern pro Woche zu mehr Verletzungen führt. Bei diesen hohen Kilometerzahlen wird der Körper über seine Regenerationsfähigkeit belastet. Eine Frequenz von drei bis sieben mal die Woche für Männer und sieben mal die Woche für Frauen ist in einer Studie in Verbindung mit einer höheren Anfälligkeit für Verletzungen zu sehen. In einer anderen Studie wurde festgestellt, dass eine Frequenz von einmal die Woche zu einer höheren Verletzungsanfälligkeit führt, aber nur bei Frauen. Abschließend lässt sich sagen, dass es zu wenige Studien gibt, um wirklich verlässliche Aussagen über die Frequenz oder Distanz als Risikofaktoren bei Laufverletzungen zu sagen. 8

Wenig Lauferfahrung (Anfänger) wird in der Übersichtsarbeit von Videbaek et al. 9 thematisiert. Dabei kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass Anfänger eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit haben sich beim Laufen zu verletzen als Fortgeschrittene. Als Anfänger gilt dort jemand, der weniger als 8-13 Wochen gelaufen ist.

Das Benutzen von Einlagen ist laut der Übersichtarbeit von van der Worp et al. 10 kritisch zu betrachten. Normalerweise werden Einlagen benutzt um a) Fehlstellungen der unteren Extremität zu kompensieren und b) als Dämpfung der Koallisonskräfte 11 die beim Laufen auftreten. Laut van der Worp et al. wird dies durch Studien widerlegt. Läufer die Einlagen tragen, haben ein höheres Risiko eine Verletzung durch das Laufen zu erleiden. Natürlich ist es auch möglich das Läufer, die zu einer Verletzung neigen die Einlagen früher bekommen. Deshalb ist dieser Risikofaktor kritisch zu betrachten und muss noch genauer untersucht werden.  

 

Prävention

Die Studienlage zur Prävention von Laufverletzung ist nicht ausreichend. Es fehlen einfach genügend gut gemachte Studien, um wirklich verlässliche Aussagen machen zu können. 12 Trotzdem kann man einige Strategien ableiten, die vielleicht das Verletzungsriskio beim Laufen verringern können. Häufig genannte Strategien sind die folgenden:

  • Ausheilung/Rehabilitation von alten Verletzungen
  • Trainingssteuerung
  • Krafttraining
  • Stretching
  • Aufwärmen

Im Folgenden werde ich die Strategien auf ihre Evidenz (Beweislage)  untersuchen und bewerten.

 

Ausheilung/Rehabilitation von alten Verletzungen

Das Vorliegen von alten Verletzungen ist der einzige Risikofaktor mit einer starken Evidenz. Leider wissen wir nicht, ob eine erneute Verletzung durch mangelndes Auskurieren der vorhergehenden Verletzung entsteht. Jedoch sollte jeder der eine alte Verletzung hatte, diese auskurieren und noch wichtiger den Körper wieder so weit trainieren, bis man wieder auf dem Ausgangslevel vor der Verletzung oder darüber hinaus ist.

Nehmen Sie Ihre Verletzungen ernst und folgen Sie einem vernünftigen Rehabilitationsplan.

Trainingssteuerung

Verletzungen, die durch das Laufen entstehen, sind meist Überlastungsschäden des Muskel-/Skelettsystems. Überlastungsschäden werden dabei durch wiederholte Mikrotraumen verursacht, wobei kein einziges auslösendes Ereignis identifiziert werden kann. 13 Daraus folgt (zumindest theoretisch), dass Laufverletzungen durch ein Zuviel (Intensität, Distanz, Frequenz) an Laufen entsteht. Wie oben schon festgestellt, scheint Distanz und Frequenz ein Risikofaktor zu sein, obwohl dies nicht hundertprozentig zu bestätigen ist. Des Weiteren sieht die Studienlage zu diesem Thema dünn. Man kann jedoch sagen, dass Anfänger ihr Verletzungsrisiko nicht durch langsames Steigern der Distanz (10 Prozent Regel) 14 als auch nicht durch ein vorbereitendes Programm 15 (Walken und Hüpfübungen) ihre Verletzungsgefahr reduzieren können. Jedoch sind zwei Studien zu wenig, um hier definitive Aussagen treffen zu können. Es scheint jedoch schwierig zu sein Anfänger ohne Verletzungen zu Fortgeschrittenen zu machen.

Für gestandene Läufer scheint es sinnvoll die Laufkilometer zu begrenzen (weniger als 64 Kilometer pro Woche). Leistungssteigerungen sollten dann eher durch Erhöhung der Intensität des Trainings durch Intervallprogramme erfolgen. 16 So kann man  seine Leistung steigern, ohne weitere Kilometer laufen zu müssen. Die Frequenz sollte bei 3-5 mal die Woche liegen.

 

Krafttraining

Krafttraining ist sowohl in der Rehabilitation als auch in der Prävention nicht mehr weg zu denken. In vielen Sportarten ist es das Mittel der Wahl bei der Verletzungsprävention. 17 Beim Laufen fördert es die Laufökonomie und steigert so die Leistung. 18

Leider konnte ich nur eine Studie finden, die sich mit dem Thema Laufen und Krafttraining zur Verletzungsprävention auseinandersetzt. 19 Die Studienteilnehmer führten in der Krafttrainingsgruppe  nur Kraftübungen für den Unterschenkel aus. Es konnten keine signifikanten Effekte für das Krafttraining festgestellt werden. Hier handelt es sich jedoch leider nur um eine Studie, die auch nur isolierte Teile des Körpers trainiert. Bis jetzt kann man keine Aussage treffen, ob Krafttraining hilfreich ist Verletzungen zu vermeiden oder nicht. 

 

Stretching

Stretching wird gerne zur Verletzungsprävention benutzt. Jedoch ist der Nutzen von Stretching überbewertet. Ich zitiere aus meinem Artikel über Stretching:

“Die Verhinderung von Sportverletzungen ist ein weiteres Ziel, weshalb von vielen Menschen Dehnübungen ausgeführt werden.. Dabei wird jedoch in der Regel nicht gewusst , auf welche Art von Verletzung Stretching überhaupt positiv wirken kann. Knochenbrüche oder Überlastungsschäden scheinen nicht direkt durch Stretching beeinflussbar zu sein. Das ist auch der Grund, dass die Übersichtsarbeiten zum Thema Stretching und Verletzungen negativ ausfallen. Stretching kann die Gesamtanzahl von Verletzungen nicht beeinflussen. 20 Jedoch existieren Hinweise, dass Stretching sich unter Umständen positiv auf Muskelzerrungen und Bänderverletzungen auswirkt. 21

Dieser Zusammenhang ist noch nicht ausreichend untersucht und es werden weitere Studien benötigt, um diesen Sachverhalt zu verstehen.”

Auch bei Laufverletzung lässt sich kein Zusammenhang zwischen Prävention und Stretching finden. 22

Stretching lässt sich zur Verletzungsprävention nicht empfehlen.

 

Aufwärmen

Interessanterweise gibt es meines Wissens nur eine Studie, die ein Warm up zur Vermeidung von Verletzungen untersucht hat. Der Warm up bestand aus sechs Minuten Laufübungen, drei Minuten Lockerungsübungen und 10 Minuten Stretching. Der Effekt dieser Intervention war nicht signifikant. Es wurden keine Verletzungen vermieden. 23 Da nur eine Studie vorliegt, können hier keine defintiven Aussagen getroffen werden. Meines Erachtens ist langsames Einlaufen das beste Aufwärmen für das Laufen.

 

Fazit

Leider sind noch nicht genügend Studien zum Thema Laufverletzungen, ihre Risikofaktoren und Prävention durchgeführt worden. Einen definitiven Weg Laufverletzungen zu vermeiden gibt es momentan nicht.

 

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Notes:

  1. DIAS LOPES, Alexandre, et al. “What are the Main Running-Related Musculoskeletal Injuries?: A Systematic Review.” Sports medicine 42.10 (2012): 891-905.
  2. DIAS LOPES, Alexandre, et al. “What are the Main Running-Related Musculoskeletal Injuries?: A Systematic Review.” Sports medicine 42.10 (2012): 891-905
  3. van der Worp, Maarten P., et al. “Injuries in runners; a systematic review on risk factors and sex differences.” PloS one 10.2 (2015): e0114937.
  4. Saragiotto, Bruno Tirotti, et al. “What are the main risk factors for running-related injuries?.” Sports medicine 44.8 (2014): 1153-1163, van der Worp, Maarten P., et al. “Injuries in runners; a systematic review on risk factors and sex differences.” PloS one 10.2 (2015): e0114937, Videbæk, Solvej, et al. “Incidence of running-related injuries per 1000 h of running in different types of runners: a systematic review and meta-analysis.” Sports medicine 45.7 (2015): 1017-1026, van Gent, Bobbie RN, et al. “Incidence and determinants of lower extremity running injuries in long distance runners: a systematic review.” British journal of sports medicine (2007).
  5. Fuller, Colin W., et al. “A framework for recording recurrences, reinjuries, and exacerbations in injury surveillance.” Clinical Journal of Sport Medicine 17.3 (2007): 197-200.
  6. Saragiotto, Bruno Tirotti, et al. “What are the main risk factors for running-related injuries?.” Sports medicine 44.8 (2014): 1153-1163.
  7. Saragiotto, Bruno Tirotti, et al. “What are the main risk factors for running-related injuries?.” Sports medicine 44.8 (2014): 1153-1163.
  8. Saragiotto, Bruno Tirotti, et al. “What are the main risk factors for running-related injuries?.” Sports medicine 44.8 (2014): 1153-1163, Oestergaard Nielsen, Rasmus, et al. “Training errors and running related injuries: a systematic review.” International journal of sports physical therapy 7.1 (2012).
  9. Videbæk, Solvej, et al. “Incidence of running-related injuries per 1000 h of running in different types of runners: a systematic review and meta-analysis.” Sports medicine 45.7 (2015): 1017-1026.
  10. van der Worp, Maarten P., et al. “Injuries in runners; a systematic review on risk factors and sex differences.” PloS one 10.2 (2015): e0114937
  11. Kraft beim Auftreffen des Fußes auf den Boden
  12. Yeung, Simon S., Ella W. Yeung, and Lesley D. Gillespie. “Interventions for preventing lower limb soft‐tissue running injuries.” The Cochrane Library (2011).
  13. Saragiotto, Bruno Tirotti, et al. “What are the main risk factors for running-related injuries?.” Sports medicine 44.8 (2014): 1153-1163
  14. Yeung, Simon S., Ella W. Yeung, and Lesley D. Gillespie. “Interventions for preventing lower limb soft‐tissue running injuries.” The Cochrane Library (2011).
  15. Bredeweg, Steef W., et al. “The effectiveness of a preconditioning programme on preventing running-related injuries in novice runners: a randomised controlled trial.” British journal of sports medicine 46.12 (2012): 865-870.
  16. Gist, Nicholas H., et al. “Sprint interval training effects on aerobic capacity: a systematic review and meta-analysis.” Sports medicine 44.2 (2014): 269-279.
  17. Lauersen, Jeppe Bo, Ditte Marie Bertelsen, and Lars Bo Andersen. “The effectiveness of exercise interventions to prevent sports injuries: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials.” British journal of sports medicine 48.11 (2014): 871-877.
  18. Moore, Isabel S. “Is There an Economical Running Technique? A Review of Modifiable Biomechanical Factors Affecting Running Economy.” Sports Medicine (2016): 1-15.
  19. Baltich, J., et al. “Running injuries in novice runners enrolled in different training interventions: a pilot randomized controlled trial.” Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports (2016).
  20. Thacker, Stephen B., et al. “The impact of stretching on sports injury risk: a systematic review of the literature.” Medicine & Science in Sports & Exercise36.3 (2004): 371-378,Herbert, Rob D., and Michael Gabriel. “Effects of stretching before and after exercising on muscle soreness and risk of injury: systematic review.” BMJ: British Medical Journal 325.7362 (2002): 468, McHugh, Malachy P., and C. H. Cosgrave. “To stretch or not to stretch: the role of stretching in injury prevention and performance.” Scandinavian journal of medicine & science in sports 20.2 (2010): 169-181, Small, Katie, Lars Mc Naughton, and Martyn Matthews. “A systematic review into the efficacy of static stretching as part of a warm-up for the prevention of exercise-related injury.” Research in Sports Medicine 16.3 (2008): 213-231.
  21. McHugh, Malachy P., and C. H. Cosgrave. “To stretch or not to stretch: the role of stretching in injury prevention and performance.” Scandinavian journal of medicine & science in sports 20.2 (2010): 169-181, Small, Katie, Lars Mc Naughton, and Martyn Matthews. “A systematic review into the efficacy of static stretching as part of a warm-up for the prevention of exercise-related injury.” Research in Sports Medicine 16.3 (2008): 213-231.
  22. Yeung, Simon S., Ella W. Yeung, and Lesley D. Gillespie. “Interventions for preventing lower limb soft‐tissue running injuries.” The Cochrane Library (2011).
  23. Van Mechelen, Willem, et al. “Prevention of running injuries by warm-up, cool-down, and stretching exercises.” The American Journal of Sports Medicine 21.5 (1993): 711-719.
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