Exzentrisches Krafttraining und die Therapie des Tennisarms

Exzentrisches Krafttraining wird seit Anfang der 90er Jahre für die Behandlung von Sehnen und Sehnenansatz-Problemen (Tendopathien) benutzt. Am Anfang standen dabei Probleme der unteren Extremitäten im Vordergrund (z.B. Achilles-Sehne, Patella-Sehne). Später wurde dann auch die Krankheit des Tennisarms mit exzentrischem Training behandelt. 1

In diesem Artikel erkläre ich zunächst, was exzentrisches Krafttraining ist und welche besonderen Eigenschaften diese Trainingsart hat. Danach betrachte ich die Studienlage zum Thema exzentrisches Krafttraining und Tennisarm und bespreche ein praktisches Übungsbeispiel zur Behandlung des Tennisarm mit exzentrischem Training. Darauf folgt eine kritische Würdigung des exzentrischen Training und ein abschließendes Fazit.

Was ist exzentrisches Krafttraining?

Exzentrisches Krafttraining lässt sich am besten erklären, wenn wir uns die verschiedenen Phasen der Muskelkontraktion anschauen. Bei einer Muskelkontraktion kommt es zur einer aktiven Verkürzung eines Muskels. Die Bezeichnung dafür ist konzentrische Kontraktion. Jedoch gibt es noch weitere Arten der Kontraktion: a) die isometrische Kontraktion, die keine Verkürzung bewirkt, sondern den Muskel gegen Widerstand in einer bestimmten Länge hält und b) die exzentrische Kontraktion, die einer auf den Muskel wirkenden Kraft einen Widerstand entgegensetzen, währenddessen er verlängert wird (manchmal auch bremsende Kontraktion genannt). Somit haben wir drei mögliche Arten der Kontraktion:

  • Konzentrische Kontraktion
  • Isometrische Kontraktion und
  • Exzentrische Kontraktion.

Um diese Kontraktionsformen besser zu verstehen, betrachten wir folgendes Beispiel:

Exzentrisches Krafttraining am Beispiel des Armscurls

Armcurl

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf dem Bild sehen Sie die Übung des Armcurls. Wenn die Hantel nach oben bewegt wird, handelt es sich um eine konzentrisches Kontraktion der Armbeuger. Wird die Hantel herabgesenkt (das Gewicht wird vor dem herunterfallen gebremst), handelt es sich um eine exzentrische Kontraktion der Armbeuger. Hält man die Hantel auf einer bestimmten Höhe für eine bestimmte Zeit, dann wrid eine eine isometrische Kontraktion der Armbeuger ausgeführt.

Auch im Alltag lassen sich einige Beispiele exzentrische Kontraktionen finden:

  • Das Heruntergehen von Stufen oder eines Bergs. Dabei wird die Streckmuskulatur der Oberschenkel (M. quadriceps femoris) exzentrisch belastet, um das Knie vor dem zu schnellem oder zu weitem nach vorne ausbrechen zu bewahren.
  • Beim Laufen oder Gehen arbeiten die Fußheber (M. tibialis anterior) exzentrisch, um die Zehen nach dem Aufsetzen der Ferse, kontrolliert herabzulassen. Andernfalls würde der Fuß bei jedem Schritt auf den Boden fallen.
  • Die Unterarmstrecker werden bei fast jeder Sportart mit einem Schläger (Tennis, Squash) exzentrisch kontrahiert. Ohne die exzentrische Kontraktion der Unterarmstrecker würde das Handgelenk bei jedem Schlag umknicken. Das Handgelenk würde nicht stabilisiert werden.

 

Nachdem geklärt wurde, was eine exzentrische Kontraktion ist, können wir die Frage beantworten: „Was ist exzentrisches Krafttraining?“:

Exzentrisches Krafttraining ist das alleinige trainieren der exzentrisches Phase einer Kontraktion.

In dem obigen Beispiel der Übung des Armcurls würde man folgendermaßen vorgehen:

  • Mit Hilfe des anderen Arms wird die Hantel in die Position der maximalen Beugung des Arms gebracht. Der Arm der die Hantel hält soll dabei keine (oder so gut wie keine) Arbeit leisten.
  • Anschließend wird die Hantel langsam (abbremsend) heruntergelassen, bis der Arm vollständig gestreckt ist.
  • Danach wird die Hantel wieder durch Hilfe des anderen Arm in die Position der maximalen Beugung gebracht.
  • Dieser Prozess wird solange wiederholt, bis die gewünschte Anzahl der Wiederholung erreicht ist.

 

Einige Besonderheiten von exzentrischen Kontraktionen

Um zu verstehen, warum exzentrische Kontraktionen bzw. exzentrisches Krafttraining bei Sehnenansatz-Problemen verwendet wird, möchte ich ihnen nun einige Charakteristika/Eigenschaften von exzentrischen Kontraktionen vorstellen:

  • Exzentrische Kontraktionen können größere Kräfte freisetzen als isometrische oder konzentrische Kontraktionen. Das heißt man ist bei einer Übung stärker, wenn man das Gewicht herabsenkt, als es zu halten oder zu heben. 2
  • Exzentrische Kontraktionen verbrauchen weniger Energie als konzentrische Kontraktionen. Das liegt daran, dass das Bindegewebe (nicht-kontraktile Bestandteile des Muskels, Bänder, Sehnen, etc.) die Kraftentwickelung des Muskels unterstützt. 3 Das ist leicht nachvollziehbar. „Was ist weniger anstrengend eine Treppe herauf oder herunter gehen?“ Ich hoffe die meisten sagen eine Treppe heruntergehen.
  • Exzentrisches Training belastet das Bindegewebe (Sehen, Bänder, etc.) stärker als konzentrisches Training. Viele Patienten mit Knieproblem haben die größten Beschwerden beim Treppe heruntergehen oder beim bergab laufen.
  • Exzentrisches Training verursacht ausgeprägten Muskelkater. 4 Viele haben das schon gemerkt, wenn sie mal einen längeren Abstieg von einem steilen Berg gemacht haben.

 

Theoretischer Wirkungsmechanismus bei der Behandlung von Sehnenansatz-Problemen

Da exzentrisches Krafttraining die Strukturen des Bindegewebes vermehrt belastet, wird diese Form des Krafttrainings angewandt, um Sehnenansatz-Probleme (Tennisarm, Achillessehnenschmerzen, etc.) zu behandeln. Momentan gibt es zwei verschiedene Erklärungsversuche, warum exzentrisches Training eine bessere Wirkung auf die Heilung einer geschädigten Sehne hat als konzentrisches Training.

  1. Bei einer geschädigten Sehne (Tendinose) findet kein natürlicher Heilungsprozeß mehr statt. Durch die größeren Kräfte die beim exzentrischen Training entstehen sollen die Sehnen-Zellen wieder zur Heilung stimuliert werden. Exzentrisches Training wirkt als mechanischer Reiz für eine Neubildung von Sehnen-Zellen.
  2. Bei einer Tendinose kommt es zur Neubildung von Gefäßen und Nerven um die Sehne herum (Neovaskularisierung). Diese Gefäße und Nerven sollen verantwortlich für die Sehnenansatz-Schmerzen sein. Beim exzentrischen Training kommt es bei jeder Wiederholung einer Übung zu einem Stoppen des Blutfluss in den neugebildeten Gefäßen und Nervenverästelungen der Sehne. Dadurch werden diese neugebildeten Gefäße und Nerven beschädigt, was zu einer Abnahme der Schmerzsituation führt.

Leider sind beide Wirkmechanismen noch nicht ausreichend untersucht, um definitiv sagen zu können, welcher dieser Mechanismen richtig ist. 5

 

Anwendung beim Tennisarm

Die Erkrankung des Tennisarms ist eine durch Überbelastung hervorgerufene schmerzhafte Erkrankung der Sehne der Unteramstreckermuskulatur. 6 Bei der Behandlung dieser Erkrankung erfreut sich seit einiger Zeit das exzentrisches Training immer größerer Beliebtheit. Jedoch sollte man, wie bei allen Neuerungen die anfängliche Euphorie erstmals abwarten und betrachten wie die Studienlage zu diesem Thema aussieht.

Ist exzentrisches Training wirklich besser als „herkömmliche“ Kräftigungsübungen?

Studienlage

Die Studienlage zum Thema exzentrisches Krafttraining und Tennisarm ist ausreichend. In zwei aktuellen Übersichtsarbeiten von Cullinane et al. 7 und Raman et al. 8 wird exzentrisches Training für einen Tennisarm empfohlen. Dabei sollten die exzentrischen Übung für bessere Erfolge jedoch in ein kombiniertes Therapieprogramm integriert werden. Nebenwirkung konnten in den Studien nicht festgestellt werden.

 

Übungsbeispiel

An dieser Stelle möchte ich Ihnen ein Beispiel für eine exzentrische Übung für die Behandlung eines Tennisarms geben. Bei dieser Übung werden die Handgelenksstrecker trainiert. Das ist genau der Sehnenansatz der Muskulatur, die beim Tennisarm betroffen ist. Die Übung wurde bei allen klinischen Studien mit Erfolg eingesetzt. 9

Vorab möchte ich einige wichtige Ausführungshinweise für diese Übung geben:

  1. Besprechen Sie vor dem Beginn eines Therapieprogramms mit ihrem Arzt, ob Sie diese Übung ausführen dürfen und sollen.
  2. Sie brauchen eine Hantel für die Ausführung der Übung.
  3. Wählen Sie ein Gewicht der Hantel, dass ihnen eine schmerzfreie Ausführung der Übung ermöglicht. Leichte Schmerzen sind bei der Übungsausführung in Ordnung. Wird der Schmerz zu groß, dann sollte die Übung nicht fortgesetzt werden!!
  4. Die Übung sollte für 10-15 Wiederholung durchgeführt werden. Danach machen Sie eine Minute Pause und wiederholen die Übung noch zwei weitere Male.
  5. Für gute Resultate führen Sie die Übung für 6-12 Wochen täglich aus. Achten Sie darauf, die Trainingsgewichte im Zeitablauf langsam zu steigern. Nur dadurch bekommt Muskel und Sehne einen Anreiz zu heilen.

 

Nun zur Übung!

 

Setzen Sie sich auf einen Stuhl neben einem Tisch. Legen Sie den Arm auf den Tisch, so dass ihre Hand über die Tischkante herunterhängt.

  • Nehmen Sie die Hantel in ihre Hand und lassen die Hantel hängen.
  • Heben Sie die Hantel mit ihrer freien Hand so hoch, wie es Ihnen möglich ist. Ihre andere Hand hilft bei dieser Bewegung nicht mit!
  • Entfernen Sie ihre freie Hand. Lassen Sie nun die Hantel langsam und kontrolliert in die Ausgangsstellung herabsinken. Das ist eine Wiederholung.
  • Wiederholen Sie diesen Prozess für die gewünschte Anzahl an Wiederholungen. Machen Sie dann eine Minute Pause und wiederholen die Übung noch zwei weitere Male. Machen Sie jeweils eine Minute Pause zwischen den Übungen.
Exzentrisches Krafttraining der Unterarmstrecker Ausgangsposition Hantel in der Hand

Übung Exzentrisches Training der Unterarmstrecker Bild 1

 

 

 

 

 

 

 

Exzentrisches Krafttraining der Unterarmstrecker Heben der Hantel mit der anderen Hand

Übung Exzentrisches Training der Unterarmstrecker Bild 2

 

 

 

 

 

 

 

Exzentrisches Krafttraining der Unterarmstrecker Hantel in der Position zum Ablassen

Übung Exzentrisches Training der Unterarmstrecker Bild 3

 

 

 

Exzentrisches Krafttraining der Unterarmstrecker Hantel ist abgelassen

Übung Exzentrisches Training der Unterarmstrecker Bild 4

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nur Exzentrisches Krafttraining?

Die Frage, ob exzentrisches Krafttraining wirksamer als „normales“ (konzentrisch/exzentrisch) ist, lässt sich nicht so einfach mit ja beantworten. Für konzentrisches oder isometrisches Training gibt es laut der Übersichtsarbeit von Raman et al. 10 schwache Hinweise für ihre Effektivität. Die Frage warum man nicht konzentrisch und exzentrisch zusammen trainiert ist auch noch nicht hinreichend beantwortet. Einige gut gemachte Studien 11 tun dies und sind dabei erfolgreich. Des Weiteren bemerken Raman et al., dass exzentrisches Training lediglich die am häufigsten untersuchte Trainingsform ist. Jedoch kann man aus diesem Umstand keine Rückschlüsse daraus ziehen, dass es wirklich am effektivsten ist. Weitere Studien werden benötigt, um mehr über die Wirkung von anderen Trainingsformen herauszufinden.

Fazit

Exzentrisches Training ist sowohl einzeln als auch in Kombination mit anderen Therapien eine effektive Behandlungsform für einen Tennisarm.

 

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Notes:

  1. Siehe beispielsweise: Rees, J. D., Roger L. Wolman, and Alan Wilson. “Eccentric exercises; why do they work, what are the problems and how can we improve them?.” British journal of sports medicine 43.4 (2009): 242-246.
  2. Herzog, Walter, et al. “Mysteries of muscle contraction.” Journal of applied biomechanics24.1 (2008): 1.
  3. McHugh, Malachy P., et al. “Exercise-induced muscle damage and potential mechanisms for the repeated bout effect.” Sports Medicine 27.3 (1999): 157-170.
  4. Böning, Dieter, http://www.aerzteblatt.de/archiv/30395, Proske, U., and D. L. Morgan. “Muscle damage from eccentric exercise: mechanism, mechanical signs, adaptation and clinical applications.” The Journal of physiology 537.2 (2001): 333-345.
  5. Rees, J. D., Roger L. Wolman, and Alan Wilson. “Eccentric exercises; why do they work, what are the problems and how can we improve them?.” British journal of sports medicine 43.4 (2009): 242-246.
  6. Für eine genauere Definition siehe mein Buch: Saueressig, Tobias „Behandle Deinen Tennisarm Selber – Evidenzbasierte Behandlungsmöglichkeiten“, evidenzbasiertephysiotherapie.de, Selbstverlag
  7. Cullinane, Frances L., Mark G. Boocock, and Fiona C. Trevelyan. “Is eccentric exercise an effective treatment for lateral epicondylitis? A systematic review.” Clinical rehabilitation (2013).
  8. Raman, Jayaprakash, Joy C. MacDermid, and Ruby Grewal. “Effectiveness of different methods of resistance exercises in lateral epicondylosis—a systematic review.” Journal of Hand Therapy 25.1 (2012): 5-26.
  9. Siehe beispielsweise Stasinopoulos, D., K. Stasinopoulou, and M. I. Johnson. “An exercise programme for the management of lateral elbow tendinopathy.” British journal of sports medicine 39.12 (2005): 944-947.
  10. Raman, Jayaprakash, Joy C. MacDermid, and Ruby Grewal. “Effectiveness of different methods of resistance exercises in lateral epicondylosis—a systematic review.” Journal of Hand Therapy 25.1 (2012): 5-26.
  11. Bisset, Leanne, et al. “Mobilisation with movement and exercise, corticosteroid injection, or wait and see for tennis elbow: randomised trial.” Bmj 333.7575 (2006): 939, Coombes, Brooke K., et al. “Effect of Corticosteroid Injection, Physiotherapy, or Both on Clinical Outcomes in Patients With Unilateral Lateral EpicondylalgiaA Randomized Controlled TrialCorticosteroid & Physiotherapy for Epicondylalgia.” JAMA 309.5 (2013): 461-469.
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