Stretching als Behandlung für einen Tennisarm

 

Übersicht

Stretching wird als sinnvoll für die Behandlung eines Tennisarms gehalten 1 und in der klinischen Praxis häufig verwendet. Jedoch sollte der Einsatz einer bestimmten Therapiemethode auch einer wissenschaftlichen Untersuchungen standhalten. Dieser Artikel erklärt kurz das Krankheitsbild des Tennisarm, fasst die wesentlichen allgemeinen Charakteristika des Stretchings zusammen und schließt mit einer Betrachtung der Studienlage zum Thema Stretching und Tennisarm ab (praktische Übungen inklusive).

Was ist ein Tennisarm?

Die gesamte Begrifflichkeit „Tennisarm“ birgt diverse Missverständnisse in sich. Bei der Vielzahl der Betroffenen handelt es sich nicht um Tennisspieler, deshalb könnte der „Tennisarm“ auch beispielsweise „Mausarm“, „Schraubarm“ oder „Putzarm“ heißen, je nach Tätigkeit die, die Erkrankung ausgelöst hat. Früher ging man davon aus, dass ein Tennisarm eine entzündliche Erkrankung der Sehnenansätze der Unterarmstrecker ist. In der Fachsprache wurde deshalb ein Tennisarm auch „Laterale Epicondylitis“ genannt. Die Bedeutung des Begriffs lässt sich folgendermaßen aufschlüsseln:

  • lateral = seitlich
  • Epicondylus = Knochenvorsprung (am Ellenbogen)
  • Endung „-itis“ = steht für Entzündung.

Heutzutage geht man davon aus, dass es sich bei der Erkrankung des Tennisarms nicht um eine entzündliche Erkrankung der Sehnenansätze der Unterarmstrecker handelt. Es ist eine degenerative Veränderung der Streckersehne bei der noch ungeklärte biochemische Faktoren im Bereich der Sehne zu Schmerzen führen. Die heutige medizinische Definition eines Tennisarm ist:

„Epikondyalgie radialis humeri“ ist die schmerzhafte Veränderung im Bereich der gemeinsamen Ursprungssehne der Unterarmstrecker.“

Wenn Sie sich noch eingehender mit den verschiedenen Definitionen eines Tennisarms auseinandersetzen wollen, dann empfehle ich mein Buch „Behandle Deinen Tennisarm Selber“.

Ursachen

Ursachen für eine schmerzhafte Veränderung des Sehnenansatzes sind die Kombination von mechanischer Überbelastung und Stoffwechselstörungen (wie z.B. ein Diabetes melitus). 2

Diagnose

Ein Tennisarm liegt dann vor, wenn folgende Anzeichen bestehen:

  • Schmerzen über dem seitlichen Ellenbogen, die bis in das Handgelenk ziehen, jedoch nicht weiter als in das Handgelenk. Ansonsten könnten noch Erkrankung der Halswirbelsäule oder eine Nervenproblematik vorliegen,
  • Druckschmerzhaftigkeit der Muskulatur und Sehnenansätze über dem seitlichen Ellenbogen,
  • Schmerz und Schwäche beim Greifen, Strecken des Handgelenks und Strecken der Finger,
  • Schmerzen beim Dehnen der Streckmuskulatur des Handgelenks durch Beugen des Handgelenks bei gestrecktem Ellenbogen.

Jedoch sollten Sie niemals eine Diagnose selber stellen. Bitte wenden Sie sich dazu an einen Arzt der mögliche Differentialdiagnosen 3 abklären kann.

Was ist Stretching?

Stretching (Dehnen) ist „ein Verhalten das eine Person ausführt, um sein Bewegungsausmaß wiederzuerlangen, zu erhöhen oder zu erhalten”. 4 Dazu gehört passives und aktives Stretching (Dehnen), dass entweder in Form von Einzel-Übungen oder mit der Hilfe einer anderen Person (Trainer/Therapeut) durchgeführt wird.

Stretching Arten

Die verschiedenen Methoden des Stretchings lassen sich in aktive Methoden und passive Methoden unterteilen. „Aktiv“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Dehnung durch die Muskelarbeit des Dehnenden entsteht (z.B. das Schwingen des gestreckten Beins). „Passiv“ ist eine Dehnung, die durch äußere Mithilfe (z.B. Schwerkraft oder Hilfe durch einen Trainingspartner) entsteht (z. B. Dehnen der Oberschenkelrückseite durch Beugung des Rumpfs bei gestreckten Beinen). Eine weitere Einteilung ist zwischen „statischen“ und „dynamischen“ Dehnungen. „Statisch“ ist eine Dehnungsübung ohne Bewegung. „Dynamisch“ ist eine Dehnungsübung mit Bewegung. Demzufolge haben wir vier Kategorien „aktiv-statisch“, „aktiv-dynamisch“, “passiv-statisch“, „passiv-dynamisch“. Hier nun Beispiele für die verschiedenen Kategorien:

  • „aktiv-statisch“ – Halten einer stehenden Yoga-Pose, wie z.B. Trikonasana (Dreiecks-Pose),
  • „aktiv-dynamisch“ – Schwingen des gestreckten Beins im Stand,
  • „passiv-statisch“ – Dehnung der Wadenmuskeln im Stand,
  • „passiv-dynamisch“ – ein Therapeut bringt den Patienten in eine Dehnung und verstärkt durch kleine, federnde Bewegung die Dehnung.

 

Stretching Arten (PDF)

 

Die hauptsächlichen Stretching-Arten die in der wissenschaftlichen Forschung zum Thema Tennisarm angewandt wurden sind PNF und Traditionelles (statisches) Dehnen. PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazililtation) ist eine von dem Neurophysiologen Herman Kabat (1913-1995) und der Physiotherapeuten Margaret Knott (1913–1978 entwickelte Behandlungsmethode, die für Patienten mit Kinderlähmung (Poliomyelitis) entwickelt wurde. Später fand diese Methode Anwendung in weiteren Teilen der Physiotherapie. Die Dehntechniken des PNF sind das Anspannen/Entspannen (Contract/Relax) und Halten/Entspannen (Hold/Relax). Dabei wird der Muskel vom Patienten aktiv in die Dehnposition bewegt, bis sie/er nicht mehr weiter kommt. Dann spannt der Patient den gerade gedehnten Muskel maximal (Anspannen/Entspannen) oder nur submaximal (Halten/Entspannen) gegen den Widerstand des Therapeuten an. Die Muskelspannung wird für einige Zeit (meist 6-10s) gehalten. Darauf entspannt der Patient den Muskel wieder. Der Therapeut bewegt den Muskel weiter in die Dehnstellung hinein. Der Prozess des Dehnen und Anspannen des Muskels wird solange wiederholt, bis keine weitere Verbesserung des Bewegungsausmaßes erreicht wird. Die PNF-Dehntechniken basieren auf neurophysiologischen „Gesetzen“. Durch die Anspannung des Muskels soll die nachfolgende Dehnung erleichtert werden 5.

PNF-Stretching wird deshalb von einigen Autoren als effektiver angesehen. Traditionelles (statisches) Dehnen ist das Dehnen, welches die meisten schon kennen. Der Patient nimmt eine Dehnstellung ein, bei der sie/er eine leichte Dehnung im Muskel bemerkt. Nun wartet man solange ab, bis die Dehnung des Muskels schwächer wird. Nun verstärkt sie/er die Dehnung wieder, bis sich eine stärkere Dehnung einstellt. Dieser Prozess wird solange wiederholt bis sich keine weiteren Verbesserung des Bewegungsausmaßes einstellen.

Welche Methode ist denn nun die effektivere?

PNF-Stretching Methoden sind effektiver, sowohl in kurz- als auch langfristig, um das Bewegungsausmaß zu erweitern. 6 Der Effekt auf  die Verringerung von Muskel-Schmerzen ist noch nicht ausreichend geklärt. 7 In der unten genannten Studie wird einfaches statisches Dehnen erfolgreich angewandt. Das dieses einfacher durchzuführen ist, empfehle ich es in den meisten Fällen. Wenn Sie sich die Anwendung der PNF-Techniken zutrauen, dann wenden Sie diese an. Vielleicht ergeben sich dadurch weitere Vorteile in der Behandlung ihrer Schmerzen.

Studienlage zum Thema Stretching und Tennisarm

Die Forschung zum Thema Stretching und Tennisarm ist momentan sehr dünn. Zwar wird in einer Vielzahl von Studien 8 Stretching-Übungen zur Behandlung eines Tennisarms angewandt, jedoch nur in Kombination mit anderen Maßnahmen (z.B. Kräftigungsübungen, Ultraschall, Eis, Elektortherapie, etc.). Man kann mit diesen Studiendesigns nicht erkennen, welchen alleinigen Effekt Stretching auf einen Tennisarm hat.

Jedoch gibt es zwei interessante Studien, die uns Hinweise geben, ob Stretching eine gute Maßnahme zur Behandlung eines Tennisarms ist. Die Wissenschaftler Sölveborn et al. 9 haben 123 Patienten mit einem Tennisarm auf ihr Bewegungsausmaß des Ellenbogens und des Handgelenks untersucht. Sie stellten fest, dass bei Patienten mit einem Tennisarm alle Bewegungen von Ellenbogen und Handgelenk eingeschränkt waren. Sölveborn et al. kommen zum Schluss, dass es sinnvoll sein könnte Stretching-Übungen bei einem Tennisarm auszuführen. Diese Studie gibt uns Hinweise, dass Stretching bei einem Tennisarm wirkungsvoll sein kann. Jedoch könnten auch andere Faktoren für den Verlust des Bewegungsausmaßes verantwortlich sein.

Deshalb braucht man Studien, die Stretching in der praktischen Anwendung überprüfen. Die Studie von Martinez-Silvestrini et al. 10 hat genau diese Fragestellung überprüft. Es wurden 94 Patienten mit einem chronischen Tennisarm zufällig auf drei verschiedene Gruppen: „Stretching“, „Konzentrisches Krafttraining mit Stretching 11, „Exzentrisches Krafttraining mit Stretching 12 aufgeteilt. Das Trainingsprogramm wurde 6 Wochen lang durchgeführt. Alle Studienteilnehmer erhielten Hinweise zur Benutzung von Eis, Stretching, Tennisarm-Bandagen und dem Vermeiden von Aktivitäten, die den Tennisarm verschlimmern.

Ergebnis der Studie ist: alle drei Gruppen haben die gleich guten Ergebnisse. So verbesserte sich beispielsweise bei der „Stretching“-Gruppe die Schmerzsituation um – 48%. Das heißt die Schmerzen haben sich durchschnittlich um fast die Hälfte gegenüber dem Ausgangswert reduziert!

Die Studie lässt sich dahingehend interpretieren, dass Stretching genauso effektiv ist, wie die anderen Behandlungsmethoden. Jedoch muss man beachten, dass es sich hier nur um eine einzige Studie handelt. 13 Dadurch lassen sich nur kaum Rückschlüsse auf die Effektivität von Stretching für einen Tennisarm ziehen. Jedoch ist Stretching eine Methode die kaum Kosten verursacht und nur etwas an Zeit braucht. Nebenwirkungen treten so gut wie nie auf. Deshalb kann man es mit gutem Gewissen zur unterstützenden Behandlung des Tennisarms empfehlen.

Stretching Übung

Die Stretching Übung, die in der Studie von Martinez-Silvestrini et al. 14 angewandt wurde sehen sie auf dem Bild. Es handelt sich hier um traditionelles statisches Dehnen der Unterarmstrecker. Die Übung soll zweimal am Tag für jeweils drei Wiederholungen durchgeführt werden. Zwischen der Dehnung machen sie 30 Sekunden Pause. Führen Sie die Übung folgendermaßen aus:

Schritt 1

Stretching des Tennisarm Arm ausstrecken

Übung Tennisarm Dehnung

 

 

 

 

 

 

 

Strecken Sie Ihren Arm vor sich aus. Achten sie darauf, dass der Elllenbogen gestreckt ist.

 

 

Schritt 2

Stretching des Tennisarm Handgelenk wird zum Ellenbogen hin zurück gebogen

Übung Dehnung Tennisarm

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit Ihrer anderen Hand ziehen sie sanft ihr Handgelenk in eine gebeugte Position Halten Sie inne, wenn Sie eine leichte Dehnung verspüren. Ein leichter Dehnschmerz ist noch in Ordnung. Mehr jedoch nicht. Halten Sie die Dehnung solange bis sie bemerken, dass die Dehnung nachlässt. Verstärken Sie dann die Dehnung nochmals. Dieser Prozess wird solange wiederholt bis keine weiteren Verbesserung des Bewegungsausmaßes sich einstellen. Machen Sie 30 Sekunden Pause. Wiederholen Sie die Übung noch zwei weitere Male. Führen Sie die Dehnungen zweimal täglich aus.

Zusammenfassung

Stretching ist nach heutigem Wissen keine bewiesene Therapie für einen Tennisarm. Es müssen noch weitere Studien durchgeführt werden, um eine definitive Aussage treffen zu können. Stretching ist kosten-effektiv und hat keine Nebenwirkungen. Deshalb kann man es  gutem Gewissens für einen Tennisarm ausprobieren.

 

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Notes:

  1. Siehe beispielsweise: Stasinopoulos, D., K. Stasinopoulou, and M. I. Johnson. “An exercise programme for the management of lateral elbow tendinopathy.” British journal of sports medicine 39.12 (2005): 944-947.
  2. Jerosch Jörg, Loew Markus “Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Epicondylopathia radialis humeri“ Überarbeitung vom 22.9.2011, AWMF online.
  3. D.h. Diagnosen, die auch noch möglich sein könnten.
  4. Lederman, Eyal “Therapeutic Stretching – Towards a functional approach.“ Elsevier Ltd. 2014.
  5. Zum Thema Reflexmechnismen und Dehnen und warum diese nicht funktionieren siehe: Lederman, Eyal “Therapeutic Stretching – Towards a functional approach.“ Elsevier Ltd. 2014.
  6. Fryer, Gary, in: Chaitow, Leon [Ed.], Muscle Energy Techniques, Churchill Livingstone Elsevier, Fourth Edition, 2013.
  7. Fryer, Gary, in: Chaitow, Leon [Ed.], Muscle Energy Techniques, Churchill Livingstone Elsevier, Fourth Edition, 2013.
  8. Z.B.: Pienimäki, Tuomo T., et al. “Progressive strengthening and stretching exercises and ultrasound for chronic lateral epicondylitis.” Physiotherapy 82.9 (1996): 522-530, Svernlöv, Birgitta, and Lars Adolfsson. “Non‐operative treatment regime including eccentric training for lateral humeral epicondylalgia.” Scandinavian journal of medicine & science in sports 11.6 (2001): 328-334, Stasinopoulos, D., K. Stasinopoulou, and M. I. Johnson. “An exercise programme for the management of lateral elbow tendinopathy.” British journal of sports medicine 39.12 (2005): 944-947, Tyler, Timothy F., et al. “Addition of isolated wrist extensor eccentric exercise to standard treatment for chronic lateral epicondylosis: a prospective randomized trial.” Journal of Shoulder and Elbow Surgery 19.6 (2010): 917-922, Croisier, Jean-Louis, et al. “An isokinetic eccentric programme for the management of chronic lateral epicondylar tendinopathy.” British journal of sports medicine 41.4 (2007): 269-275, Wen, Dennis Y., et al. “Eccentric Strengthening for Chronic Lateral Epicondylosis A Prospective Randomized Study.” Sports Health: A Multidisciplinary Approach 3.6 (2011): 500-503.
  9. Sölveborn, S. A., and C. Olerud. “Radial epicondylalgia (tennis elbow): measurement of range of motion of the wrist and the elbow.” Journal of Orthopaedic and Sports Physical Therapy 23 (1996): 251-257.
  10. Martinez-Silvestrini, Julio A., et al. “Chronic lateral epicondylitis: comparative effectiveness of a home exercise program including stretching alone versus stretching supplemented with eccentric or concentric strengthening.” Journal of Hand Therapy 18.4 (2005): 411-420.
  11. Beim konzentrischen Krafttraining überwindet der Muskel einen Widerstand und verkürzt sich. Z.B. Bei einem Biceps Curl ist das Heben der Hantel die konzentrische Muskelarbeit.
  12. Beim exzentrischen Krafttraining bremst der Muskel die Bewegung ab und verlängert sich. Z.B. Bei einem Biceps Curl ist das Herunterlassen der Hantel die exzentrische Muskelarbeit.
  13. Weitere Mängel der Studie sind: keine adäquate Kontrollgruppe, die keine Behandlung erhalten hat und die Eigenschaft der Verbesserung des Tennisarms im Zeitablauf
  14. Martinez-Silvestrini, Julio A., et al. “Chronic lateral epicondylitis: comparative effectiveness of a home exercise program including stretching alone versus stretching supplemented with eccentric or concentric strengthening.” Journal of Hand Therapy 18.4 (2005): 411-420.
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