Kann die Physiotherapie eine Kortisonbehandlung bei einem Tennisarm noch retten?

Die Gabe von Kortison bei der Behandlung eines Tennisarms erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit. In der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädischen Chirurgie 1 werden Kortison-Injektionen empfohlen. Jedoch werden von Seiten der Forschung Kortison-Injektionen immer mehr in Frage gestellt. 2 Dies liegt hauptsächlich an zwei Punkten:

  • a) Kortison hat keine nachgewiesene langfristige Wirkung 3 und
  • b) die Rückfallrate (Rezidivrate) nach einer Kortison-Injektion steigt dramatisch an. 4

In einer Studie 5 war die Rückfallrate nach Kortisongabe 72% im Vergleich zur Physiotherapie mit einer Rückfallrate von 8%. Jedoch stellt sich die Frage, ob man durch die Kombination von Physiotherapie und Kortison-Injektion nicht die positiven Seiten des Kortisons (schnelle, kurzfristig anhaltende Schmerzreduktion 6) mit einer geringeren Rückfallrate (bedingt durch die Physiotherapie) erreichen kann. Bis vor kurzem gab es nur zwei kleinere Studien 7, die dieser Frage nachgegangen sind. Beide Studien fanden keinen Vorteil darin Kortison mit Physiotherapie zu kombinieren. Jedoch betrachten diese Studien nicht die möglichen langfristigen Effekte einer Kombination von Physiotherapie mit Kortison-Injektionen. Des Weiteren haben beide Studien weitere diverse Mängel.

Zum Glück gibt es jedoch eine neuere, gut gemachte Studie von Coombes et al. 8, die sich mit der Frage beschäftigt: „Kann Physiotherapie eine Kortisonbehandlung bei einem Tennisarm erfolgreich(-er) machen?“.

In den folgenden Abschnitten erkläre ich was Kortison ist und welche Eigenschaften es hat. Danach gehe ich auf die Studie von Coombes et al. ein. Darauf folgt ein abschließendes Fazit.

 

Kortison wird in Tennisarm gespritzt

Quelle: http://operation-pro.de/wp-content/uploads/2016/05/Epikondylus_Injektion.jpg

 

 

 

 

 

 

 

Was ist Kortison?

Kortison (fachsprachlich: Glucocorticoide) sind Steroidhormone aus der Nebennierenrinde. Die für die Medizin interessante Wirkung des Kortisons beim Tennisarm sind die entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkung. Jedoch ist fraglich, inwieweit Kortison entzündungshemmend bei einem Tennisarm wirken kann, wenn es sich dabei nicht um eine entzündliche Erkrankung 9 handelt. Vielmehr ist ein Tennisarm eine degenerative Erkrankung der Sehne der Unterarmstreckermuskulatur. 10 Das Kortisoninjektionen bei einem Tennisarm kurzfristig schmerzstillend wirkt, ist unbestritten. Jedoch scheint hier eher der Placeboeffekt am Werk zu sein. 11

Die Studie von Coombes et al.

Hier die Studie von Coombes et al. 12 im Überblick:

BedeutsamkeitKlinisch werden oft Physiotherapie (PT) und Kortison-Injektionen miteinander kombiniert. Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht ausreichend nachgewiesen.
Ziel der StudieDie Effektivität von Kortison-Injektionen, Physiotherapie, oder die Kombination von beidem bei einem vorliegendem Tennisarm zu untersuchen.
Aufbau der StudieHier handelt es sich um eine randomisierte, kontrollierte Studie. Die Injektionen wurden verblindet durchgeführt.
Intervention186 Patienten wurden in folgende Gruppen eingeteilt:
1. Kortison-Injektionen (43 Patienten)
2. Placebo-Injektionen (41 Patienten)
3. Kortison-Injektionen + PT (40 Patienten)
4. Placebo-Injektionen + PT (41 Patienten)
Wichtige Ergebnisse1. Kortison-Injektion sind kurzfristig einer Placebo-Injektion überlegen, unabhängig davon ob PT eingesetzt wird (68%) oder nicht (71%). PT mit Placebo-Injektion liefert kurzfristig eine leichte Schmerzreduktion (39%). Placebo-Injektion erzielt keine Besserung.
2. In der langen Frist (nach 1 Jahr) sind Kortison-Injektionen, ob mit PT (82%) oder ohne PT (84%) schlechter als PT mit Placebo (100%) oder Placebo-Injektion alleine (93%).
3. Die Rückfallrate ist nach Kortisonanwendung, egal ob mit (54%) oder ohne PT (55%), deutlich höher. Bei Placebo-Injektion mit PT (5%) und ohne PT (20%) ist die Rückfallrate deutlich niedriger.

Interpretation

Die Studie von Coombes et al. hilft uns dabei die kombinierte Behandlung eines Tennisarms mit Kortisoninjektionen und Physiotherapie neu zu überdenken. Erstens untermauert die Studie das Kortisoninjektion in der kurzfristig hilfreich sind, um die Schmerzen des Tennisarms effektiv zu behandeln. Jedoch scheint die Physiotherapie diesen Effekt nicht zu verstärken und auch in der langfristigen Betrachtung scheint die Physiotherapie keine zusätzlichen Verbesserung zu bringen. Die Kombination von Physiotherapie und Kortisoninjektion ist dieser Studie nach abzulehnen. Der Einsatz von Physiotherapie schafft es auch nicht die negativen Konsequenzen einer Kortisonbehandlung aufzufangen. So sind die erzielten Verbesserung nach einer Kortisoninjektion, egal ob mit oder ohne Physiotherapie schlechter, als ohne den Einsatz von Kortison. Für die Anzahl der Rückfälle stellt sich hier das gleiche Bild dar: egal ob mit oder ohne Physiotherapie, Kortison verursacht höhere Rückfallraten (in dieser Studie über 50%). Es scheint, dass bei einer Kortisonbehandlung der Wirkstoff selber diese Effekte verursacht. Die negativen Wirkungen von Kortison lassen sich durch folgende Punkte erklären:

  • Kortison hat einen negativen, zerstörerischen Effekt auf Sehnen. 13
  • durch die schmerzstillende Wirkung von Kortison kommt es durch den fehlenden Schmerz zu einer Überbeanspruchung der Sehne. 14

 

Fazit

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Kortisoninjektionen oder die Kombination von Kortisoninjektion und Physiotherapie nicht für die Behandlung eines Tennisarm empfehlenswert ist.

 

Weitere Artikel zum Thema

Buch Behandle Deinen Tennisarm Selber 

Tapen als Therapie bei einem Tennisarm

Exzentrisches Krafttraining und Tennisarm

Stretching als Behandlung für einen Tennisarm

Frage und Antwort: Tennisarm und Röntgenreizbestrahlung

Golferarm (Mediale Epicondylitis)

Notes:

  1. Jerosch Jörg, Loew Markus “Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Epicondylopathia radialis humeri“ Überarbeitung vom 22.9.2011, AWMF online.
  2. Osborne, Hamish. “Stop injecting corticosteroid into patients with tennis elbow, they are much more likely to get better by themselves!.” Journal of Science and Medicine in Sport 13.4 (2010): 380-381, Scott, Alexander, and Karim M. Khan. “Corticosteroids: short-term gain for long-term pain?.” The Lancet 376.9754 (2010): 1714-1715.
  3. Coombes, Brooke K., Leanne Bisset, and Bill Vicenzino. “Efficacy and safety of corticosteroid injections and other injections for management of tendinopathy: a systematic review of randomised controlled trials.” The Lancet 376.9754 (2010): 1751-1767, Judson, Christopher H., and Jennifer Moriatis Wolf. “Lateral Epicondylitis: Review of Injection Therapies.” Orthopedic Clinics of North America 44.4 (2013): 615-623, Krogh, Thøger Persson, et al. “Comparative Effectiveness of Injection Therapies in Lateral Epicondylitis A Systematic Review and Network Meta-analysis of Randomized Controlled Trials.” The American journal of sports medicine 41.6 (2013): 1435-1446, Olaussen, Morten, et al. “Treating lateral epicondylitis with corticosteroid injections or non-electrotherapeutical physiotherapy: a systematic review.” BMJ open 3.10 (2013): e003564.
  4. Bisset, Leanne, et al. “Mobilisation with movement and exercise, corticosteroid injection, or wait and see for tennis elbow: randomised trial.” Bmj 333.7575 (2006): 939, Smidt, Nynke, et al. “Corticosteroid injections, physiotherapy, or a wait-and-see policy for lateral epicondylitis: a randomised controlled trial.” The Lancet 359.9307 (2002): 657-662, Coombes, Brooke K., et al. “Effect of Corticosteroid Injection, Physiotherapy, or Both on Clinical Outcomes in Patients With Unilateral Lateral Epicondylalgia A Randomized Controlled TrialCorticosteroid & Physiotherapy for Epicondylalgia.” JAMA 309.5 (2013): 461-469.
  5. Bisset, Leanne, et al. “Mobilisation with movement and exercise, corticosteroid injection, or wait and see for tennis elbow: randomised trial.” Bmj 333.7575 (2006): 939.
  6. Coombes, Brooke K., Leanne Bisset, and Bill Vicenzino. “Efficacy and safety of corticosteroid injections and other injections for management of tendinopathy: a systematic review of randomised controlled trials.” The Lancet 376.9754 (2010): 1751-1767, Judson, Christopher H., and Jennifer Moriatis Wolf. “Lateral Epicondylitis: Review of Injection Therapies.” Orthopedic Clinics of North America 44.4 (2013): 615-623, Krogh, Thøger Persson, et al. “Comparative Effectiveness of Injection Therapies in Lateral Epicondylitis A Systematic Review and Network Meta-analysis of Randomized Controlled Trials.” The American journal of sports medicine 41.6 (2013): 1435-1446, Olaussen, Morten, et al. “Treating lateral epicondylitis with corticosteroid injections or non-electrotherapeutical physiotherapy: a systematic review.” BMJ open 3.10 (2013): e003564.
  7. Tonks, J. H., S. K. Pai, and S. R. Murali. “Steroid injection therapy is the best conservative treatment for lateral epicondylitis: a prospective randomised controlled trial.” International journal of clinical practice 61.2 (2007): 240-246, Newcomer, Karen L., et al. “Corticosteroid injection in early treatment of lateral epicondylitis.” Clinical Journal of Sport Medicine 11.4 (2001): 214-222.
  8. Coombes, Brooke K., et al. “Effect of Corticosteroid Injection, Physiotherapy, or Both on Clinical Outcomes in Patients With Unilateral Lateral EpicondylalgiaA Randomized Controlled TrialCorticosteroid & Physiotherapy for Epicondylalgia.” JAMA 309.5 (2013): 461-469.
  9. Nirschl, Robert P., and F. A. Pettrone. “Tennis elbow. The surgical treatment of lateral epicondylitis.” The Journal of bone and joint surgery. American volume 61.6A (1979): 832, Regan, William, et al. “Microscopic histopathology of chronic refractory lateral epicondylitis.” The American journal of sports medicine 20.6 (1992): 746-749, Potter, Hollis G., et al. “Lateral epicondylitis: correlation of MR imaging, surgical, and histopathologic findings.” Radiology 196.1 (1995): 43-46, Kraushaar, Barry S., and Robert P. Nirschl. “Current Concepts Review-Tendinosis of the Elbow (Tennis Elbow). Clinical Features and Findings of Histological, Immunohistochemical, and Electron Microscopy Studies*.” The Journal of Bone & Joint Surgery 81.2 (1999): 259-278, Alfredson, Håkan, et al. “In vivo investigation of ECRB tendons with microdialysis technique–no signs of inflammation but high amounts of glutamate in tennis elbow.” Acta Orthopaedica 71.5 (2000): 475-479.
  10. Siehe dazu: Saueressig, Tobias, „Behandle Deinen Tennisarm Selber – Evidenzbasierte Behandlungsmethoden“. evidenzbasiertephysiotherapie.de, Selbstverlag.
  11. Coombes, Brooke K., et al. “Optimising corticosteroid injection for lateral epicondylalgia with the addition of physiotherapy: a protocol for a randomised control trial with placebo comparison.” BMC musculoskeletal disorders 10.1 (2009): 76, Coombes, Brooke K., et al. “Effect of Corticosteroid Injection, Physiotherapy, or Both on Clinical Outcomes in Patients With Unilateral Lateral Epicondylalgia A Randomized Controlled TrialCorticosteroid & Physiotherapy for Epicondylalgia.” JAMA 309.5 (2013): 461-469.
  12. Coombes, Brooke K., et al. “Effect of Corticosteroid Injection, Physiotherapy, or Both on Clinical Outcomes in Patients With Unilateral Lateral EpicondylalgiaA Randomized Controlled TrialCorticosteroid & Physiotherapy for Epicondylalgia.” JAMA 309.5 (2013): 461-469.
  13. Paavola, M., et al. “Treatment of tendon disorders. Is there a role for corticosteroid injection?.” Foot and ankle clinics 7.3 (2002): 501.
  14. Fredberg, U., and K. Stengaard‐Pedersen. “Chronic tendinopathy tissue pathology, pain mechanisms, and etiology with a special focus on inflammation.”, Scandinavian journal of medicine & science in sports 18.1 (2008): 3-15, Bisset, Leanne, et al. “Mobilisation with movement and exercise, corticosteroid injection, or wait and see for tennis elbow: randomised trial.” Bmj 333.7575 (2006): 939.
Menü